Man isst, was man liest!

Heute ist der Welttag des Buches. Für Welttage bin ich jederzeit zu haben: am Welt­TOILETTEN­tag findet man mich auf dem Lokus, am WeltSCHLAFtag im Bett. Am Tag des Butter­brotes sieht man mich Knifften kauen, am WeltNUDELtag Makkaroni mampfen. Am Tag der seltenen Krankheiten war ich selten krank (begünstigt durch die Tatsache, dass dieser Tag nur in Schaltjahren stattfindet). Welttag_des_Buches

Auf dem Programm steht also lesen, und deshalb stöbere ich mal in meiner Kiste mit Neuzu­gängen…

Neulich war ja noch großes Bücherverschenken in der Schule. Ich hatte leider keine Freistunde, war dazu noch Pausen­aufsicht. So kam es, dass der Wühltisch im Lehrer­zimmer bereits tüchtig abgeräumt war, als ich nach der siebten Stunde zuschlagen wollte. Es fanden sich nur noch ein paar Groschen­romane: „Im goldenen Käfig des Italieners“, „Die Geliebte des griechischen Milliardärs“, „Verführt im Schloss des stolzen Spaniers“.

War es Zufall, oder waren alle nordischen Titel vergriffen? Ich vermisste „Küsse auf dem Krabbenkutter“, „Die Olle vom Olsen“, „Moin, moin, sagt die Liebe“.

Neben den Herzschmerzheftchen nur noch ein Campingplatzführer von 1997 und ein GE­FRIER­RAT­GEBER! Welcher Kollege gewährt uns hier Einblicke in seine Belesen­heit? Klischee, klar, aber ich denke sofort an unsere Sportdozenten. Die sitzen schließlich ganzjährig im Trainingsanzug im Lehrerzimmer, und nicht nur am 21. Januar, dem inter­nationalen Tag der Jogginghose. Und lesen brauchen die ja von Amtswegen im Prinzip nur wenig. Höchstens mal W. Stuhlfath: Volkstümliche Turnspiele und Scherzübungen. Langensalza 1928. Mit einem Geleitwort v. F. L. Jahn – nein, nicht Turnvater Jahn 😦scannen0085

Es fällt sofort ins Auge, dass der mehrsprachige Gefrier­rat­geber im Deutschen Gefrier­rat­geber heißt. Folgerichtig, finde ich. Auch die Niederländer hätten sich mit einem einfachen Hauptwort begnügen können, „diepvriesgids“ zum Beispiel. Stattdessen, eigentlich untypisch, das gestelzte „Anweisungen betreffend Tieffrieren“. Tja, und der Italiener, dieser heißblütige Tiefkühl-Casanova, der in seiner goldenen Truhe natürlich aus­schließ­lich aphro­di­sierende Austern bewahrt, macht gleich eine Oper daraus: „Consigli pratici per la congelazione e surgelazione dei cibi.“differenze linguistiche

Damit bleibt der Italiener allerdings im Rahmen der 140 Zeichen, die ein Tweet haben darf, und er überspannt nicht die Konzentration von jungen Lesern. Junge Leute, so will es das Vorurteil, lesen nicht mehr.

Aus der letzten Landeskunde- und Literaturprüfung: „Luther übersetzte die Bibel und Guten­berg hat den Drucker entdeckt. Luther konnte hierdurch mehrere Bibeln übersetzen.“

Wenn ich den Gefrierratgeber ausgelesen habe, stürze ich mich sogleich auf das Buch der Bücher:

Die Bibel 2  nach dem großen Erfolg des Vorgängers jetzt die Fortsetzung!

Warum warten? Den Ratgeber kann ich auch später noch lesen, zum Beispiel am Tag der Tiefkühlkost. Eingeführt von Ronald Reagan. In USA gibt es dann Fisch­stäb­chen als Festessen.

Peinlich, jetzt habe ich tatsächlich Hunger gekriegt. Und dabei habe ich noch immer nichts gelesen… der Welttag des Buches ist in wenigen Minuten vorbei. Kompromiss: Buch­staben­suppe.

Hooggejazzd!

Das Wort des Jahres 2016 in den Niederlanden ist hochgejazzt.

Beziehungsweise: das woord van het jaar ist NICHT „hoog­gejazzd“. Was ich sagen möchte ist, dass das gewählte Wort künstlich aufgebläht ist. Hoog­gejazzd wäre aber ein durchaus würdiger Titelträger: very 2016, very zeitgeisty. Aber ebenso hätte es mich gefreut, wenn dekbedovertrekset, atoomonderzeeër oder meeneuriënde zee­meer­minnen1 Wort des Jahres geworden wären.

meeneuriende-zeemeerminnen-dia2015 wählte man Schummelsoftware. Der diesjährige Skandal um Spendersamen ließ Schummel-sperma (sjoemelzaad) als designierten Nachfolger erscheinen. Doch anders als die Belgier haben sich die Niederländer für ein ganz und gar sexloses Wort ent­schieden. Die Flamen und Fläminnen haben nämlich Samsonsex gekürt: der Sex, den Eltern haben, während ihr Nachwuchs Kinderfernsehen guckt.

Mein Geheimfavorit war ja Briefschlitzschnur. Der hochbetagte ehemalige Politiker Jan Terlouw rührte sich selbst und Millionen Niederländer zu Tränen mit einem Plädoyer an die jüngeren Generationen für weniger Miss­trauen in der Gesellschaft. Sein Sinnbild für das vermeintlich verlorene Vertrauen: die Schnüre, die früher in vielen Straßen aus den Brief­schlitzen hingen und mit denen man die Türen der Nachbarn öffnen konnte. Es war Anfang Dezember und vielen Nieder­ländern schien eine solche Schnur aus den Herzen zu hängen und der Großvater aus den guten alten Zeiten zog daran und öffnete sie. Er er­reichte die Menschen von den Platten­bauten in Bergpolder bis zu den Wolkenkratzern am Wilhelminapier. Für einen Moment vergaß man, dass eine Haustürschnur im 45. Stock recht unpraktisch ist, oder, dass es peinlich sein kann, wenn die Nachbarn gerade in dem Moment hereinschneien, wenn KiKA-koitieren / Sesamstraße-schnackseln angesagt ist.

Es war letztlich aber nicht der Elder Statesman, der 2016 wortdesjahresmäßig seinen Stempel auf­drücken konnte, sondern ein halbstarker Hobbyfilmer. Ismail Ilgun wohnt in einem sozialen Brennpunkt, in Poelenburg. Hier gibt es keine Briefschlitzschnüre, sondern Pfefferspray und Jugendliche, die auf den Dächern von Polizeiautos tanzen. Ilgun lebt vom Filmen solcher Motive, und weil er seine Freunde vor laufender Kamera dazu animiert, Polizisten zu provozieren oder Gewalt gegen Unschuldige auszuüben hat er sich den Spitznamen „treitervlogger“ (= Schikanevlogger) eingehandelt. Und weil diese Art, Vlogs zu machen Schule gemacht hat, ist Schikanevlogger eine Art Gattungsbezeichnung geworden und jetzt sogar Wort des Jahres. So, jetzt ist es raus!

Ebenso groß wie die Rührung bei den Worten von Opa Terlouw war, war die Empörung der braven Bevölkerung über die Rotznase Ilgun: der Aufreger der Woche war es, dass seine Freunde sich weigerten, in einer Talkshow die Sonnebrille abzunehmen. Premierminister Rutte reagierte auch 2016 auf Randerscheinungen höchstpersönlich und nannte Ismail und seines­gleichen „licht­scheues Pack“. Wie ich bereits eingangs erwähnte: das Wort des Jahres ist compleet hooggejazzd!


1 Deckbettbezugsset, Atom-U-Boot und mitsummende Meerjungfrauen20150326_110257

Pott! Verdorri!

Moddin, woher aus Deutschland kommst du denn?“ „Aus dem Ruhrgebiet.“ „Aha. Wir waren ja mit den Kindern letztes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt in Düsseldorf.“
Das immer gleiche Stück, hunderte Male bereits aufgeführt, seit ich in Holland wohne. Nur manchmal in einer neuen, überraschenden Inszenierung:
„Ich habe Verwandte in Düssel­burg.“, oder: „Seit Düsseldorf den Flughafen hat, geht es ja bergauf.“
Guter Mann, in Düsseldorf ging es nie bergab, und hier wünschte man sich nie
Glück auf!, sondern immer schon Schönes Spiel! …beim Golfen!


Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, mich nicht mehr darüber aufzuregen, wenn in Gesprächen, Büchern und Filmen die rheinischen Metropolen Düsseldorf, Leverkusen und Köln dem Ruhrgebiet zugeschlagen werden. Aber ich hatte mir ja auch vorgenommen, kein Fernsehen mehr zu gucken.
Auf Holland 1 lief die Doku-Reihe „Hier sind die Van Rossems“, im weiteren Sinne Bildungs­fernsehen. Ein Historiker, eine Kunsthistorikerin und ein Architekturexperte besuchen Köln. In der Einleitung heißt es:
„Köln, im industriellen Herzen des Ruhrgebiets gelegen.“
Wie meinen? Jetzt genügt schon nicht mehr nur die bloße Revierzugehörigkeit, jetzt ist es bereits das Herz des Potts. Verdomme!

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Wie nur erkläre ich unseren westlichen Nachbarn, wie beleidigt beide, Rheinländer und Ruhrpöttler, mit einer derartigen Gleichschaltung sind? Ein Kölner wird zum Beispiel zurecht darauf hinweisen, dass er in einer Millionen- und Weltstadt wohnt, die auf eine 2000-jährige Geschichte zurückblicken kann, während das Revier bis tief ins 19. Jahr­hundert nur von Hattinger Schweinehirten und Sprockhöveler Hirsebauern bevölkert blieb.
Der Bochumer denkt seinerseits, dem Düsseldorfer (Klein-Paris!) erklären zu müssen, dass ein „Kumpel“ keineswegs ein Ferienhaus auf Sylt ist und das „Gezähe“ kein Austern­messer­set.

In den Niederlanden scheint das Rheinland ganz offiziell zum Ruhrgebiet zu gehören. Ich bin es zwar gewohnt, dass, je weiter man von zuhause weg ist, man den Herkunftsort stets großzügiger, weiträumiger angibt. Sobald man das Ruhrgebiet verlässt kommt man bereits nicht mehr aus Witten, sondern aus Dortmund. In Übersee kommt man dann „from Cologne“. Aber dass man ausgerechnet den Holländern erklären muss, dass es ein Unterschied ist, ob man aus Bonn kommt oder aus Wattenscheid wech is…
Ein Rotterdamer nennt die Provinz Limburg „Limbabwe“, so weit weg fühlt sich das f
ür ihn an, auch wenn dort angeblich Landsleute wohnen. Und wehe, er wird im Ausland gefragt, ob er aus AMSTERdam komme, eine knappe Autostunde und gleichzeitig Lichtjahre ent­fernt!

Sobald Deutschdozent MRuhrpott einig Zweistromlandeyer aber anfängt von Katholiken und Protestanten zu erzählen…
* von Pils und Kölsch

* von Tag und Nacht
* vom Strukturwandel und von Schickimickis
* von der Indus
trialisierung und dem Bergbau
* ja überhau
pt von dem historischen Miss­ver­ständnis, Westfalen und Rheinländer in ein Bundes­land zu sperren
…dann kriegt mein Gegenüber immer sofort diesen glasigen Blick, den auch meine Schüler haben, wenn ich ihnen versuche zu erklären, dass das Wörtchen „bis“ als Präposition den Akkusativ nach sich zieht, als Konjunktion aber… 


Vielleicht muss ich es anders erklären. Ich bemühe den Punkvergleich: In Düsseldorf glaubt man, dass das, was die Toten Hosen veranstalten, Punk sei. Die Bandmitglieder lernen sich im Hockeyclub kennen (sic!), und während die Hosen ihr Geld zum größten Teil mit Saufliedern verdienen, trinkt der Sänger Süßholzwurzelsud, um seine Stimme zu schonen (sic! sic!). Düsseldorfer Punkrocker veröffentlichen Weihnachts- und Greatest Hits-CDs und treten im Wiener Burgtheater auf. Derweil stuft die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdung die Texte von Wolfgang Wendland als ethische und seinen Bierbauch als ästhetische Desorientierung ein. DAS ist für mich
in a nutshell der Unterschied zwischen Ruhrgebiet und Rheinland.

Also, lieber Holländer, lass mal bitte die Kirche im Dorf, den Dom in Kölle, aber vor allem: lass dem Ruhrgebiet seine Grenze ihre Würde, wonnich?

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Wort des Jahres

Das Wort des Jahres 2015 in den Niederlanden: sjoemelsoftware (Schummelsoftware)
Gemeint ist die sogenannte Abschalteinrichtung, mit der Volkswagen die Abgaswerte seiner Dieselfahrzeuge manipulierte.

Mein persönliches Wort des Jahres aber fährt nicht Auto, sondern Zug: perronpoeper
Niederländische Züge sind im Allgemeinen immer noch mit einer Fallrohrtoilette ausgestattet, weswegen das WC nicht auf Bahnhöfen benutzt werden darf. Sonst geht der Inhalt der Spülung direkt auf die Gleise. Das ist nicht so appetitlich, zum Beispiel direkt im nigelnagelneuen Rotterdamer Centraal Station.

Seit Jahr und Tag rege ich mich über solche zuwiderhandelnde Zugtoilettenbenutzer auf, seit 2015 habe ich endlich das griffige Wort fürs naming and shaming: Gleisscheißer

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Fick den König, lang lebe der König!

Wenn Willem-Alexander Geburtstag hat, dann ist „Königstag“: die Untertanen haben frei, besaufen sich mit orangefarbenem Likör und verwandeln alle Straßen in einen einzigen geselligen Flohmarkt, den sogenannten „vrijmarkt“. Hier verkaufen Leute, gerne vor ihrer eigenen Haustür, häufig Dinge, die am Ende des Tages, falls sie nicht an den Mann gebracht werden können, einfach auf dem Bürgersteig liegen bleiben, damit die Müllabfuhr sich ihrer erbarmt. niederlande_fan

In der Breedstraat in Utrecht gibt es die Tradition, alle „knuffelbeesten“ (Kuscheltiere), die nicht auf dem vrijmarkt verkauft werden konnten, unter großem Applaus in den höchsten Baum zu schleudern, mit dem Ziel, dass diese Knüffelbiester in der Baumkrone hängen bleiben.

Knüffelbiest und Kloschüssel

Vor drei Jahren, als der König noch ein Prinz war („prins pilsje“, um genau zu sein), schleuderte er Kloschüsseln. Er mischt sich am Nationalfeiertag gerne unter die Leute und bekräftigt seine Volksnähe durch aktive Partizipation am Sackhüpfen, am freihändigen Honigkuchen­essen mit Augenbinde oder eben am Kloschüssel­weitwurf. Jetzt aber ist Willem-Alexander ein gekröntes Haupt, ziert Münzen und Briefmarken und schmeißt höchstens noch mit Orden um sich (rund dreitausend allein in diesem Jahr).

Keinen Orden hat der Aktivist Abulkaskloschüssel kompilatieim al-Jaberi gekriegt, wohl aber eine ordentliche Geldbuße, weil er vor laufender Kamera „Fuck de Koning!“ rief. Damit hat er wohl Majestäts-beleidigung begangen, was laut Gesetz mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder bis zu 20.250 Euro bestraft werden kann. Jetzt ist das Thema des Tages die Frage, ob das Gesetz aus dem Jahre 1881 überhaupt noch zeitgemäß ist.

Zwillingsglück und Zeitungsente

Wirklich niemand redet dagegen über eine mögliche Schwangerschaft der Königin, und das obwohl laut „Das Goldene Blatt“ ganz Holland elektrisiert sein solle von der Nachricht, dass die Frau Willem-Alexanders Zwillinge erwarte. Maxima hätte dann ja praktisch „de koning gefuckt“ und bewiesen, dass es sich bei Abulkasims Ausspruch mehr um einen Aufruf handelt als um eine Beleidigung. Doch leider ist Maxima überhaupt nicht schwanger.Zwillingsglück

Das Zentralorgan der deutschen Königshaus-Sehnsucht schreibt deshalb ebenso exklusiv wie realitätsfern: „Das Land ist im absoluten Freudentaumel“. Entweder hat der Korrespondent des Goldenen Blattes Holland just am Königstag besucht und irgendwas falsch verstanden, von wegen „Geburt…“, „Feier…“, „Tag…“, und/oder er hat selbst zu tief ins Oranjelikörglas geschaut. Oder er hat eine Kloschüssel gegen den Kopf gekriegt. Oder die zuverlässigen Quellen („ein Souvenirverkäufer in Amsterdam“, „ein Den Haager Frauenarzt“) erweisen sich als nicht ganz so zuverlässig. ODER und ich hier sträubt sich fast die Tastatur, dem Gedanken weiter Folge zu leisten… es handelt sich hier um eine Zeitungsente?! Fuck the duck! varen als de hazen klein

Wieder das Verpissen

>>ROTTERDAM

eine Stadt, auf die man stolz sein kann, ohne sich dafür schämen zu müssen.<<

Das hätte ich ein gutes Motto für meine Wahlheimatstadt gefunden. Die Stadt­oberen haben sich aber leider für den Slogan „make it happen“ entschieden. Blöder­weise benutzt die Firma Tena bereits denselben Werbe­spruch. Tena verkauft In­kontinenz­produkte.beschnitten

Und noch blöderer­weise haben Feyenoord-Fans fünf Tage nach meiner Kolumne über Wild­pinkler neue Maßstäbe gesetzt in Sachen „wildplassen“: der berühmte Barcaccia-Brunnen in Rom, Baujahr 1629 wurde von hunderten Schlachten­bummlern kurzer­hand zum Urinal um­funktioniert. Die Bewohner der ewigen Stadt wissen jetzt, Dank sei den „Olandesi Animali“ (niederländische Bestien), dass nichts für die Ewigkeit ist.beschnitten krant

Heute findet das Rückspiel zwischen dem AS Rom und Feyenoord statt, und man fürchtet, dass die Romanisti auf Rache sinnen könnten und ihrerseits Reviere markieren und Duftmarken setzen.

Nun ist guter Rat teuer. Singt man den Fans zu: „Ihr könnt zu Hause harn'“? Erhöht man die Deiche gegen die Spaghetti-Seiche?

In jedem Fall muss ich zugeben, dass der blasenschwache Stadt-Slogan dann doch der stärkere ist, denn Rotterdam muss heute Abend seine Ab­sorp­ti­ons­fä­hig­keit unter Beweis stellen.DSCF1934DSCF2556

Wider das Wildpissen

In Breda bekam jetzt ein Mann, der ordnungswidrig wildpinkelte, ein dreifaches Bußgeld:
1) Beschädigung architektonischen Kulturguts
2) öffentliche Ruhestörung 20141214_131425
3) unbeaufsichtigtes Zurücklassen von Eigentum (sic!)

In den Niederlanden ist Wildpinkeln ein großes Problem: Selbst auf dem zentralen Platz der Hauptstadt, de Dam, müssen wenig dekorative Zäune aufgestellt werden, um den königlichen Palast vor Harnsäure zu schützen.

Ein weit verbreiteter Irrglaube ist übrigens, dass wild kacken (poep op de stoep) und wild masturbieren „billiger“ seien als herrenloser Harn (130 Euro). Auch wenn die historische Bausubstanz in diesen Fällen vielleicht weniger leiden muss, lautet die Antwort ganz klar: NEE!

Üb‘ ersetzen!

Heute ist „Blue Monday“, nicht zu verwechseln mit dem „Blauen Montag“, einem arbeits­freien Montag. Glaubt man dem britischen Psychologen Cliff Arnall, dann ist „Blue Monday“ der deprimierendste Tag des Jahres.

Dass ich an meinem freien Tag saubneues logoer machen muss ist ganz schön depri, und in eben ­dieser Weise sind Blauer Montag und Blue Monday heute deckungsgleich. Meinem gries­grämigen Großputz fallen auch endlich die unzähligen, auf dem Kaminsims ausgestellten Weihnachtskarten zum Opfer:

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„Das Schönste, was es auf der Welt gibt, ist ein lachendes Gesicht.“
Albert Einstein.
Albert Einstein? Den kenne ich eigentlich nur als Relativitäts­theoretiker und nicht als Kalender­sprüche­schreiber. Irgendwann, zwischen
e und mc², muss er die Zeit gefunden haben.

Ohne Weihnachtskarten sieht die Wohnung gleich viel aufgeräumter aus, und ich gönne mir eine kleine Pause. Ich lese gerade den zweiten Roman von Jonas Jonasson. Der deutsche Titel „Die An­alpha­betin, die rechnen konnte“ ist eine wörtliche Übersetzung des schwedischen Originals. Hier in den Niederlanden heißt das Buch „Die wundersamen Abenteuer des genialen Bomben­mädchens“ und das erinnert mich ein bisschen an deutsche Filmtitel à la „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ (OT: „Airplane“).

„And daily greets the Dingsbums-animal“

Es passiert mir häufiger, dass ich mich über einen Film unterhalten will, und mir mit einem Mal bewusst wird, dass ich den Original-Titel gar nicht kenne: „Have you seen: And daily greets the Dingsbums-animal?“ Immerhin weiß ich inzwischen, dass „Und täglich grüßt das Murmeltier“ im Original „Groundhog Day“ heißt und „Ich glaub‘, mich knutscht ein Elch!“ schlicht und ergreifend „Stripes“.

Doch zurück zum Buch, zur bombigen Analphabetin. Dem zweiten Kapitel ist ein Zitat voran­gestellt: „Je mehr ich von den Menschen sehe, um so lieber habe ich meinen Hund.“ Kurioser­weise wird dieses Zitat in der deutschen Ausgabe Friedrich dem Großen, in der nieder­ländischen aber Madame de Staël in den Mund gelegt.

Zwar sagt Karl Kraus „Übersetzen? Üb‘ ersetzen!“, doch hier wurde wohl das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Außerdem kennt niemand mehr Karl Kraus, weswegen dieses Bon­mot jetzt Mickie Krause („Geh doch zu Hause, du alte Scheiße!“) zugeschrieben wird. Dabei fällt mir ein: „Das Schönste, was es auf der Welt gibt, ist ein lachendes Gesicht.“ ist das nicht eigentlich von Charlie Chaplin? Oder zumindest von Nicolas Chamfort?

„Alles hat ein ENDE nur die Wurst hat zwei.“
Gottlieb Wendehals

Blue Monday-Formel

Blue Monday-Formel

 

…eine schöne Seite, die zeigt, dass viele Zitate Wanderpokale sind:
http://quoteinvestigator.com/

„Alles hat ein ENDE nur die Wurst hat zwei.“
Stephan Remmler

 

Salönfahig

Wenn der Personalleiter zweimal googelt

Meine niederländische Freundin, nennen wir sie Antje, hat ein gestörtes Verhältnis zu Umlauten. In grauer Vorzeit konnte ich sie überreden, dem Herner Hörspiel-Label „Hörfabrik“ ihre Stimme zu leihen. Ich fand sie hinreißend als Dämonenjägerin „Zachta van Smaak“. Sie würde diese Episode lieber vergessen. Das Internet aber vergisst nichts, und wenn man ihren Namen googelt, dann erscheint noch immer der Link zur hoerfabrik.de. Klitzekleines Problem: im Niederländischen bedeutet das „Hurenfabrik“…

zimmerman

Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass auch viele von Antjes Landesgenossen ein gestörtes Verhältnis entwickelt haben zu ä, ö und ü. Es macht auf mich den Eindruck, als ob die Umlaute als unverbindliche Deko-Artikel gesehen werden. Sie sind wie Konfetti, das willkürlich über den fertigen Text ausgestreut wird, um ihn zu verschönern, optisch auf­zu­motzen. Oder man nehme statt Konfetti „Hageslag“ (=Hagelschlag), jene Schoko­streusel, die in den Niederlanden nicht als Backartikel zum Garnieren und Dekorieren benutzt werden, sondern täglich zum Frühstück gegessen werden. Beim Bestreuen des Brotes hagelt es natürlich auch zu gleichen Teilen auf Tisch, Teller und Küchenboden.

Wie ist es zu erklären, dass im Halbfinale des Einschaltquotenhits „Heel Holland bakt“ (Ganz Holland backt, mit 1,8 Millionen Zuschauern die „kijkcijferkanon“ =Guck­ziffer­kanone schlechthin) alle Kandidaten einen „Apfelstrüdel“ machen? Außer Bäcker Jacques. Der versucht die Jury mit einer „Uberassung“ zu überzeugen.

struedel 

Wäs söll däs?

Es handelt sich hier nicht etwa um einen Einzelfall, der dem doch leidgeprüften Schul­meister den Schaum vor den Mund treibt: im Supermarkt gibt es „Frankfürter worst“ zu kaufen, im Imbiss „Spatzle“, und man macht nicht einmal vor Familiennamen halt: in der niederländischen Tageszeitung Metro heißt der Facebook-Gründer neuerdings „Zückerberg“. „Ist doch suß!“, denken hier die einen, „süper schlämpig!“ die anderen.

04Es sind aber wohl nicht nur die Umlaute im Speziellen, es ist eine gewisse Nonchalance, die sich im Umgang mit dem Deutschen eingeschlichen hat. Selbst die Volkskrant druckt einen Stadtplan von Berlin mit „Strasse der 17. juni“. Warum noch diese Resthemmung? Wenn schon, denn schon: Strass von das siebzehn jüni! Das nicht weniger renommierte NRC-Handelsblad beschreibt den Tennisspieler Stanislas Wawrinka als „die andere Schweizer“. Eine Schule in Rotterdam-Rijnmond verabschiedet in ihrem Jahrbuch einen Kollegen in den Ruhestand. Die Überschrift: „Audieu, mein‘ liebe Schulkollegen“. In vier Wörtern drei Fehler in zwei Sprachen. Hut ab! Beziehungsweise: Chaupeau! Bevor ich mich mit Glänz und Örchestertüsch in den Ruhestand verabschieden darf, muss ich wohl noch ein paar Jährchen den Meckerfritzen geben, den kleinlichen „kommaneuker“ (=Kommaficker). Ümläut neuken in de keuken.01