„Moddin, woher aus Deutschland kommst du denn?“ „Aus dem Ruhrgebiet.“ „Aha. Wir waren ja mit den Kindern letztes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt in Düsseldorf.“
Das immer gleiche Stück, hunderte Male bereits aufgeführt, seit ich in Holland wohne. Nur manchmal in einer neuen, überraschenden Inszenierung: „Ich habe Verwandte in Düsselburg.“, oder: „Seit Düsseldorf den Flughafen hat, geht es ja bergauf.“
Guter Mann, in Düsseldorf ging es nie bergab, und hier wünschte man sich nie Glück auf!, sondern immer schon Schönes Spiel! …beim Golfen!
Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, mich nicht mehr darüber aufzuregen, wenn in Gesprächen, Büchern und Filmen die rheinischen Metropolen Düsseldorf, Leverkusen und Köln dem Ruhrgebiet zugeschlagen werden. Aber ich hatte mir ja auch vorgenommen, kein Fernsehen mehr zu gucken.
Auf Holland 1 lief die Doku-Reihe „Hier sind die Van Rossems“, im weiteren Sinne Bildungsfernsehen. Ein Historiker, eine Kunsthistorikerin und ein Architekturexperte besuchen Köln. In der Einleitung heißt es: „Köln, im industriellen Herzen des Ruhrgebiets gelegen.“
Wie meinen? Jetzt genügt schon nicht mehr nur die bloße Revierzugehörigkeit, jetzt ist es bereits das Herz des Potts. Verdomme!
Wie nur erkläre ich unseren westlichen Nachbarn, wie beleidigt beide, Rheinländer und Ruhrpöttler, mit einer derartigen Gleichschaltung sind? Ein Kölner wird zum Beispiel zurecht darauf hinweisen, dass er in einer Millionen- und Weltstadt wohnt, die auf eine 2000-jährige Geschichte zurückblicken kann, während das Revier bis tief ins 19. Jahrhundert nur von Hattinger Schweinehirten und Sprockhöveler Hirsebauern bevölkert blieb.
Der Bochumer denkt seinerseits, dem Düsseldorfer (Klein-Paris!) erklären zu müssen, dass ein „Kumpel“ keineswegs ein Ferienhaus auf Sylt ist und das „Gezähe“ kein Austernmesserset.
In den Niederlanden scheint das Rheinland ganz offiziell zum Ruhrgebiet zu gehören. Ich bin es zwar gewohnt, dass, je weiter man von zuhause weg ist, man den Herkunftsort stets großzügiger, weiträumiger angibt. Sobald man das Ruhrgebiet verlässt kommt man bereits nicht mehr aus Witten, sondern aus Dortmund. In Übersee kommt man dann „from Cologne“. Aber dass man ausgerechnet den Holländern erklären muss, dass es ein Unterschied ist, ob man aus Bonn kommt oder aus Wattenscheid wech is…
Ein Rotterdamer nennt die Provinz Limburg „Limbabwe“, so weit weg fühlt sich das für ihn an, auch wenn dort angeblich Landsleute wohnen. Und wehe, er wird im Ausland gefragt, ob er aus AMSTERdam komme, eine knappe Autostunde und gleichzeitig Lichtjahre entfernt!
Sobald Deutschdozent Meyer aber anfängt von Katholiken und Protestanten zu erzählen…
* von Pils und Kölsch
* von Tag und Nacht
* vom Strukturwandel und von Schickimickis
* von der Industrialisierung und dem Bergbau
* ja überhaupt von dem historischen Missverständnis, Westfalen und Rheinländer in ein Bundesland zu sperren
…dann kriegt mein Gegenüber immer sofort diesen glasigen Blick, den auch meine Schüler haben, wenn ich ihnen versuche zu erklären, dass das Wörtchen „bis“ als Präposition den Akkusativ nach sich zieht, als Konjunktion aber…
Vielleicht muss ich es anders erklären. Ich bemühe den Punkvergleich: In Düsseldorf glaubt man, dass das, was die Toten Hosen veranstalten, Punk sei. Die Bandmitglieder lernen sich im Hockeyclub kennen (sic!), und während die Hosen ihr Geld zum größten Teil mit Saufliedern verdienen, trinkt der Sänger Süßholzwurzelsud, um seine Stimme zu schonen (sic! sic!). Düsseldorfer Punkrocker veröffentlichen Weihnachts- und Greatest Hits-CDs und treten im Wiener Burgtheater auf. Derweil stuft die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdung die Texte von Wolfgang Wendland als ethische und seinen Bierbauch als ästhetische Desorientierung ein. DAS ist für mich − in a nutshell − der Unterschied zwischen Ruhrgebiet und Rheinland.
Also, lieber Holländer, lass mal bitte die Kirche im Dorf, den Dom in Kölle, aber vor allem: lass dem Ruhrgebiet seine Grenze ihre Würde, wonnich?