Wenn der Personalleiter zweimal googelt
Meine niederländische Freundin, nennen wir sie Antje, hat ein gestörtes Verhältnis zu Umlauten. In grauer Vorzeit konnte ich sie überreden, dem Herner Hörspiel-Label „Hörfabrik“ ihre Stimme zu leihen. Ich fand sie hinreißend als Dämonenjägerin „Zachta van Smaak“. Sie würde diese Episode lieber vergessen. Das Internet aber vergisst nichts, und wenn man ihren Namen googelt, dann erscheint noch immer der Link zur hoerfabrik.de. Klitzekleines Problem: im Niederländischen bedeutet das „Hurenfabrik“…
Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass auch viele von Antjes Landesgenossen ein gestörtes Verhältnis entwickelt haben zu ä, ö und ü. Es macht auf mich den Eindruck, als ob die Umlaute als unverbindliche Deko-Artikel gesehen werden. Sie sind wie Konfetti, das willkürlich über den fertigen Text ausgestreut wird, um ihn zu verschönern, optisch aufzumotzen. Oder man nehme statt Konfetti „Hageslag“ (=Hagelschlag), jene Schokostreusel, die in den Niederlanden nicht als Backartikel zum Garnieren und Dekorieren benutzt werden, sondern täglich zum Frühstück gegessen werden. Beim Bestreuen des Brotes hagelt es natürlich auch zu gleichen Teilen auf Tisch, Teller und Küchenboden.
Wie ist es zu erklären, dass im Halbfinale des Einschaltquotenhits „Heel Holland bakt“ (Ganz Holland backt, mit 1,8 Millionen Zuschauern die „kijkcijferkanon“ =Guckzifferkanone schlechthin) alle Kandidaten einen „Apfelstrüdel“ machen? Außer Bäcker Jacques. Der versucht die Jury mit einer „Uberassung“ zu überzeugen.
Wäs söll däs?
Es handelt sich hier nicht etwa um einen Einzelfall, der dem doch leidgeprüften Schulmeister den Schaum vor den Mund treibt: im Supermarkt gibt es „Frankfürter worst“ zu kaufen, im Imbiss „Spatzle“, und man macht nicht einmal vor Familiennamen halt: in der niederländischen Tageszeitung Metro heißt der Facebook-Gründer neuerdings „Zückerberg“. „Ist doch suß!“, denken hier die einen, „süper schlämpig!“ die anderen.
Es sind aber wohl nicht nur die Umlaute im Speziellen, es ist eine gewisse Nonchalance, die sich im Umgang mit dem Deutschen eingeschlichen hat. Selbst die Volkskrant druckt einen Stadtplan von Berlin mit „Strasse der 17. juni“. Warum noch diese Resthemmung? Wenn schon, denn schon: Strass von das siebzehn jüni! Das nicht weniger renommierte NRC-Handelsblad beschreibt den Tennisspieler Stanislas Wawrinka als „die andere Schweizer“. Eine Schule in Rotterdam-Rijnmond verabschiedet in ihrem Jahrbuch einen Kollegen in den Ruhestand. Die Überschrift: „Audieu, mein‘ liebe Schulkollegen“. In vier Wörtern drei Fehler in zwei Sprachen. Hut ab! Beziehungsweise: Chaupeau! Bevor ich mich mit Glänz und Örchestertüsch in den Ruhestand verabschieden darf, muss ich wohl noch ein paar Jährchen den Meckerfritzen geben, den kleinlichen „kommaneuker“ (=Kommaficker). Ümläut neuken in de keuken.
Viele meiner Landsleute nehmen es mit den Umlauten tatsächlich nicht mehr so genau. Die Artikel „der“, „die“ und „das“ kann man außerdem durchaus nach dem Zufallsprinzip einsetzen und wenn man bei einem niederländischen Wort das „s“ durch einen „sch“ ersetzt, müsste das doch die richtige deutsche Übersetzung ergeben, oder? Ich hätte viele schöne Beispiele, z.B. deutschsprachige Webseiten von niederländischen Firmen, die ich hier aber sicherheitshalber nicht namentlich nennen möchte oder eine Lakritztüte mit „züßem“ statt „süßem“ Lakritz. Aber seien wir ehrlich, die deutsche Sprache ist keine einfache Sprache und auch nach 19 Jahren im Ruhrgebiet, mache ich immer noch Fehler. Ach so, und wenn wir dann aber schon beim „kommaneuken“ sind, lieber Moddin: das niederländische Wort “Hageslag” schreibt man: „hagelslag“ 🙂
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